Mongolei: Bericht von Tsolmon und Soyolmaa während ihres Aufenthalts in der Schweiz
Die beiden Lehrerinnen aus der Mongolei erzählen von ihrer Arbeit.
Vor einem Jahr hat die Gemeinschaft im Heft 1/07 über den Gehörlosenkindergarten in der Mongolei berichtet. Seit Herbsts 2007 sind zwei Lehrerinnen aus der Mongolei hier in der Schweiz. Die Projektleiterin des Gehörlosenkindergarten, Soyolmaa durfte im Februar sogar im Bibeltreff uns über ihre Aufgaben und auch über die christliche Gehörlosenarbeit in der Mongolei berichten.
Hier erzählen sie für die Gemeinschaft. Viel Spass!
Tsolmon
Mein richtiger Name ist Enkhtsolmon Tseren, 46 Jahre alt. Ich bin verheiratet und habe sechs Kinder. Vier davon sind Adoptivkinder einer verstorbenen Verwandten. Ich habe in St. Petersburg, Russland, an der Universität Gehörlosenlehrerin studiert. Seit 1985 unterrichte ich an der einzigen Gehörlosenschule in der Mongolei. In der Familie haben wir auch einen Gehörlosen: Der Mann meiner Tochter.
Vor ungefähr einem Jahr schlug Hans Jutzi (ehemaliger Leiter der Stiftung Uetendorfberg) dem Schweizer Konsul in der Mongolei vor, zwei Gehörlosenlehrerinnen für eine Weiterbildung in die Schweiz schicken zu lassen und für die Finanzierung zu sorgen.
So bekamen wir die wunderbare Möglichkeit, in die Schweiz zu kommen. Es ist ein sehr schönes Land! Wir konnten uns hier sechs Monate lang weiterbilden. Ich habe viel gelernt über das schweizerische Schulsystem, über die Gehörlosenbildung und das Leben von Gehörlosen. Ich habe nun viele neue Ideen, die ich gern in der Mongolei umsetzen möchte.
In der Schweiz gefällt mir die grüne Natur sehr. Die Schweizer sind sehr liebe Menschen. Ich freute mich, hier Arbeitskollegen zu treffen, die auf dem gleichen Beruf wie ich arbeiten.
Soyolmaa
Mein Name ist Soyolmaa Lamjav und ich bin 34 Jahre alt. Ich wohne allein in der mongolischen Hauptstadt Ulaanbaatar.
Ich arbeite seit 1992 mit Gehörlosen. Als ich an der Universität studierte, arbeitete ich nebenbei in einer kleinen Fabrik. Dort waren Gehörlose tätig. Diese wurden meine Freunde. Ich war von ihrer Gebärdensprache fasziniert. Als ich die Gehörlosen besser kennen lernte, hatte ich den Wunsch, ihnen helfen zu können.
Meine gehörlosen Freunde brachten mir die Gebärdensprache bei. Sie luden mich ein, in ihre Kirche zu kommen. Damals gab es in der Mongolei nur sehr wenige Kirchen. Mehrere Gehörlose besuchten die Kirche, obwohl sie nichts verstanden. Es gab keine Übersetzung in Gebärdensprache.
Bei meinem ersten Besuch in einer Kirche versuchte ich, den Gehörlosen die Zeugnisse und die Predigt zu übersetzen. Meine Gebärdensprachkenntnisse waren noch sehr klein. Nach der Predigt kam ein gehörloser Mann zu mir und sagte: «Ich habe bis jetzt nicht verstanden, was während dem Gottesdienst gesprochen wurde. Aber heute habe ich etwas verstanden!»
Das war der Moment, in dem ich verstand: So kann ich gehörlosen Menschen helfen! Ich kann nicht allen Gehörlosen gleichzeitig helfen. Aber wenn ich ihnen die Predigt übersetze, kann ich vielen helfen.
So ging ich jeden Sonntag in die Kirche und übersetzte für die Gehörlosen. Nach mehreren Monaten, am Ostersonntag 1993, nahm ich Jesus als meinen Erlöser an.
Ich habe direkt von den Gehörlosen die Gebärdensprache gelernt und arbeitete für sie als Gebärdensprachdolmetscherin: in der Kirche, im Gericht, bei der Polizei, im Spital, bei Familiensituationen und im Berufsalltag.
Die Gehörlosengruppe in unserer Kirche wuchs und wuchs. Nun kamen auch andere Hörende und wollten die Gebärdensprache lernen. Von zwanzig Freiwilligen blieben nur 2 übrig. Sie lernten die Gebärdensprache und wurden auch Gebärdensprachdolmetscherinnen. Sie heissen Tsengel und Sainaa. Sie arbeiten heute immer noch aktiv in der Gehörlosengemeinschaft.
Wir drei Frauen sind seit 1993 im Glauben, in unserer Freundschaft und in der Liebe für die Gehörlosen gewachsen. Tsengel führt den Gehörlosenkindergarten, während ich hier in der Schweiz bin. Sainaa studiert an der Universität Sozialarbeit und wird nachher mit Gehörlosen arbeiten.
Wir lernten die Gebärdensprache von den Gehörlosen und übersetzen seit 16 Jahren Gottesdienste für über 400 Gehörlose. Dieser Dienst kommt aus dem Herzen, unserem HERRN zu dienen und SEINEN speziellen Kindern. Die Gehörlosen sind Gottes spezielle Kinder.
Die Gehörlosengemeinde wuchs sehr rasch. Wir hatten zuerst ungefähr 50 Gehörlose. Zwei Jahre später waren wir 150 Gehörlose. Unsere Kirche heisst ‹Hope› (= englisches Wort für ‹Hoffnung›). Im Jahr 1994 hatte die ‹Hope›-Kirche 400 Mitglieder. Die Hälfte davon war gehörlos!
Ich wusste, dass Gott mich in einen Dienst unter Gehörlosen rief. Als ich für einen vollzeitlichen Dienst in der Kirche angefragt wurde, nahm ich an.
Wir begannen, separate Gottesdienste zu führen. Zuerst gab es einmal im Monat einen Gehörlosengottesdienst, dann zweimal.
Auch 1994 begannen mehrere Gehörlose zusammen mit Hörenden an einer Bibelschule zu studieren. Während drei Jahren besuchten sie die Bibelschule. Tsengel, Sainaa und ich übersetzten ihnen alles. Später gab es separate Bibelschulklassen. Zuletzt hatten wir 12 diplomierte Hörende und 6 diplomierte Gehörlose.
1997 ging ich auf die Philippinien und machte dort eine Bibelschulausbildung. Als ich zurückkam, unterrichtete ich an der Bibelschule gehörlose und hörende Studenten. Im gleichen Jahr kam das Missionsehepaar Ed und Joy Schlossmacker aus den USA in die Mongolei, um den Gehörlosen zu dienen. Sie leiten die Gehörlosengemeinde.
2002 machten wieder 8 Gehörlose eine Bibelschulausbildung und studierten in Ungarn. Nun sind sie zurück und unterrichten andere Gehörlose. Die Gehörlosengemeinde wächst weiter.
Wir haben vier gehörlose Pastoren und 20 Gehörlose bilden ein Seelsorgeteam. Seit 2006 hat die ‹Hope-Deaf-Church› (= Hope-Gehörlosenkirche) ein eigenes Gebäude. Jeden Sonntag gibt es einen Gehörlosengottesdienst. Die Gehörlosen leiten den Lobpreis und gehörlose Pastoren predigen.
Die ‹Hope-Deaf-Church› hat bereits in anderen Städten Missionseinsätze gemacht.
Letztes Jahr habe ich in der Kirche weniger mitgearbeitet, weil ich Projektleiterin bin vom Gehörlosenkindergarten. Die Gehörlosengemeinde und die dortige Kinderarbeit arbeiten eng mit uns zusammen am Projekt ‹Gehörlosenkindergarten›.
Zwar gibt es in der Mongolei ein Gesetz, dass man in den Schulen keine christliche Prinzipien weitergeben darf.
Als gläubige Lehrkräfte beten wir für die Kinder. Wir können nicht viel machen und so ist es unser Ziel, sie zu lieben und mit ihnen den Kontakt zu behalten. Wir versuchen, auch mit ihren Eltern in Kontakt zu bleiben. So können wir später für sie ein Zeugnis sein. Wir können ihnen nicht von Jesus erzählen, aber ihnen Liebe geben.
Es gab früher eine Gehörlosenschule, aber keinen Kindergarten. Man konnte die gehörlosen Kinder nicht früh erfassen. Mit diesem Projekt ‹Gehörlosenkindergarten› erhalten endlich auch kleinere, gehörlose Kinder Bildung. Ich unterrichte zudem in Elternkursen Gebärdensprache, auch für Lehrer, und bin in der Entwicklung der mongolischen Gebärdensprache tätig. Wenn ich in die Mongolei zurückgehe, werde ich weiter am Projekt ‹Gehörlosenkindergarten› arbeiten. Daneben werde ich an der Bibelschule Kurse geben (seit 1999 arbeite ich dort). In der Mongolei ist der Bedarf nach Bibelschullehrern und Pastoren noch gross.
Ich kann von meinem Aufenthalt in der Schweiz viele Träume und Ideen in die Mongolei mitnehmen. Das Wichtigste ist, dass ich dort Kindergärtnerinnen auszubilden habe. Drei von ihnen sind selbst gehörlos. Ich werde auch die Elternarbeit fördern und ausbauen.
Ich habe die schöne Natur der Schweiz und die frische Luft genossen. Ich war fasziniert von den angenehmen Reisemöglichkeiten und den guten Bildungs- und Sozialeinrichtungen für Behinderte.