Heimgang Hans Hermann
Hans Hermann durfte nach einer langen Leidenszeit am 24. Oktober 2016 zum Herrn heimkehren.
Unser Mitglied Hans Hermann ist im Alter von 90 Jahren am 24. Oktober 2016 nach einem schweren Leiden für immer zu Gott und Jesus heimgereist.
Für die CGG ist das ein Verlust, er prägte nicht nur die CGG seit ihrer Gründung mit, mit ihm verlieren wir auch einen Menschen, der mit seiner Fröhlichkeit andere ansteckte. Wir sind in Gedenken mit seiner Frau Berta und der Familie Hermann und freuen uns mit Hans, dass er von seinen Leiden erlöst werden durfte.
Lebenslauf
Wir geben unten seinen Lebenslauf, das er im Jahre 2002 für die damalige CGG-Zeitschrift «Gemeinschaft» verfasst hat, wieder. Auch seine Frau Berta hat in ihrem Lebenslauf viel über Hans geschrieben (Link zu Bertas Lebenslauf):
Mein Bürgerort ist Wildhaus. Ich bin der älteste von vier Geschwistern. Davon ist eine Schwester als Baby gestorben. Ich bin von der ganzen Familie der einzige taub Geborene. Meine Eltern stammten aus dem Rheintal. Damals musste mein Vater mit 20 Jahren nach Schaffhausen zur Firma ‹Georg Fischer› reisen. Er arbeitete in der Giesserei. Mein Grossvater war sehr viel krank.
Meine Eltern wussten nicht, dass ich taub war. Mein Vater klatschte einmal einfach so und merkte, dass ich nicht darauf reagierte. Danach stellte der Arzt fest, dass ich taub war. Meine Mutter hatte so geweint. Mit sieben Jahren kam ich nach St. Gallen in die Taubstummenschule. Heimweh, nein, das hatte ich gar nicht. Ich war immer fröhlich und stand immer gern wie ein Soldat, der seinen ‹Salut› (= Gruss) machte. Das brachte viele zum Lachen. Berta war schon drei Jahre an der gleichen Schule. Später erinnerte sie sich noch an mich, an den ‹lustigen Buben›. Vielleicht hatte sie damals schon ihren Blick auf mich geworfen? Später haben wir wirklich geheiratet! Interessant!

Die Schulklasse von Hans. Wo ist er wohl?
In der Schule mussten wir alle oral (= Lautsprache) sprechen. Mir sagte Lehrer Dr. Amman einmal, dass ich zuviel gebärde, und dass es besser sei zu sprechen. Beides sei gut, die Lautsprache und die Gebärdensprache. Neun Jahre lang besuchte ich verschiedene Fächer in der Schule. Vor dem Austritt fragt mich Direktor Amman, welchen Beruf ich lernen wolle. Ich sagte: «Schuhmacher!». Er machte ein langes Gesicht. Er konnte nichts dazu sagen. Als ich zwölf Jahre alt war, schaute ich oft bei der Schuhmacherei durchs Fenster, wie sie die Schuhe herstellen und flickten. Das hatte ich mir stark im Kopf eingeprägt (= beim Zuschauen auswendig gelernt). Drei Jahre machte ich die Lehre als Schuhmacher und besuchte die Gewerbeschule bei Hörenden. Das Problem war die Kommunikation, da ich der einzige Gehörlose war. Mein Lehrmeister war nicht streng genug und nicht diplomiert. An der Abschlussprüfung, musste ich als Einziger ein Paar Damenschuhe machen. Ich musste alles von Hand machen und wurde nicht ganz fertig. Warum? Weil ich als Einziger von allen Schuhmacherlehrlingen Damenschuhe machen musste. Alle anderen durften Herrenschuhe machen. Damenschuhe geben mehr Arbeit als Herrenschuhe. Trotzdem war ich der Zweitbeste bei der Prüfung. Ich war selber ganz überrascht!
Einige Zeit später wollte ich mehr lernen und Militärschuhe und Skischuhe herstellen. Ich machte die Lehre in Disentis, blieb ich aber leider nur einen Monat lang dort. Der Lehrmeister brauchte mich nicht und hatte keine Geduld. Zwei Monate später hatte ich eine Volontärstelle als Militärschuhmacher in Kerns (OW). Bis Januar 1946, also ein Jahr, blieb ich dort. Es war nicht einfach, aber ich nahm es tapfer.

1946 in Kerns, Hans ist 20 Jahre alt
Da möchte ich ein wunderbares Erlebnis erzählen: Als ich 20 Jahre alt wurde, machte ich eine Velotour von Kerns nach Interlaken. Ich wusste nicht, dass es ein ganz weiter Weg war. Ich hatte sogar ein wenig Geld bei mir und nicht einmal einen Regenschutz. Trotzdem fuhr ich los. Das Wetter war wunderbar schön. Als ich auf dem Brünigpass ankam, machte ich eine kleine Pause, dann fuhr ich weiter nach Interlaken. «HALT!» hörte ich genau, und ich fragte mich: «Wer ruft mich!» Ich spürte, dass Gott einen Engel zu mir schickte, dass ich sofort nach Hause umkehren sollte. Ich sah hauchdünnen Nebel aufsteigen, und ich war überzeugt, dass es ein Engel war, der mich von einem Unglück bewahren wollte. Einen wunderbaren GOTT haben wir! Also kehrte ich um und fuhr abwärts nach Hause. Plötzlich sah ich am Himmel ganz schwarze Wolken. Ich erreichte mein Zuhause. Es gab ein starkes Gewitter. Es regnete in Strömen (= sehr fest) bis in die Nacht hinein. Ich hatte grosse, innige Freude. Ich kniete vor Gott und dankte Ihm für alles, was Er für mich getan hatte. Wenn ich nicht gehorcht hätte, währe ich dumm gewesen! Überall ist Gott da und hilft uns. Er bewahrt uns, auch vor Irrtümer.
Wieder bekam ich eine neue Stelle, und zwar in Thayngen (SH). Ein Eidg. Dipl. Schuhmachermeister war mein Experte an der Prüfung und nahm mich auf. Er wollte, dass ich fertig lerne, wie man Militärschuhe macht. Aber ich lernte nur für ein Jahr, weil ich Schwierigkeiten hatte mit dem Sohn des Lehrmeisters. Danach hatte ich wiederum eine neue Stelle im schönen Städtchen Schaffhausen im bekannten Schuhhaus STIEP. Dieses Geschäft bestand schon seit 1863. Am 8. Dezember 1947 trat ich dort ein. Ich war froh, dass ich in den vorhergehenden Jahre an verschiedenen Orten viel gelernt hatte.
Im Jahr 1952 lernte ich in einer Bibelfreizeit in Wildhaus die wunderbare Frau, Berta, kennen.

Bibelfreizeit in Wildaus mit Berta
Wir schrieben uns eine Zeit lang viele Briefe. Dann schrieben wir einander nur noch wenig und am Schluss gar nichts mehr (das war komisch). Im Herbst 1957 fand in St. Gallen der Ehemaligentag an der Sprachheilschule statt. Etwas 300 Personen kamen. Dort traf ich Berta wieder, und ich freute mich sehr. Als der Tag zu Ende war, begleitete ich sie zum Bahnhof. Beim Verabschieden gab ich ihr den ersten Kuss, und das war das Zeichen für uns, dass wir zusammen gehörten. Wir beschlossen, uns am 30. März 1958 zu verloben, aber ich musste noch um ihre Hand bitten bei der Mutter von Berta (= fragen, ob ich sie heiraten darf). Als ich zu Berta nach Hause fuhr und ihrer Mutter fragte sie, ob wir uns verloben dürfen, sagte sie: «Was, schon verloben?» Darauf antwortete ich: «Ja, wir sind alt genug dafür». So gab sie uns den Segen (= sagte ja). Dann schrieb ich 10 Einladungen zur Verlobung. Die Einladungen wollte ich in den Briefkasten einwerfen, plötzlich hinderte mich etwas. Doch war ich in meinem Herzen überzeugt, dass Berta die richtige Frau war.

Verlobung am Palmsonntag 1958
Im Jahre 1958 haben wir am 18. Oktober endlich geheiratet. Ein Jahr später kamen unser erstes Kind, Roland, zur Welt und zwei Jahre später das zweite Kind, Doris. Bis heute sind wir sehr glücklich und sind schon 44 Jahre zusammen. Dafür danke ich Gott, und dass Er uns begleitet hat. Der Bibelspruch an unserer Hochzeit war Johannes 15:5:
ICH (= JESUS) bin der Weinstock, ihr seid die Reben.. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht, denn ohne mich könnt ihr nichts tun
In der grossen Werkstatt befanden sich im ganzen fünf - sechs Schuhmacher. Viele wechselten die Stelle. Später waren wir immer weniger Schuhmacher. Zuletzt waren es nur noch zwei Schuhflicker. Ich sprach oft vom Glauben und von der Bibel. Manchmal haben mich meine Mitarbeiter von der Werkstatt ausgelacht und verspottet. Sie fragten mir auch viel zum Glauben. Es war nicht immer einfach für mich, aber Jesus war und ist immer bei mir. Die Mitarbeiter verlangten von mir, dass ich ihnen den Glauben zeige. Ich fragte den Mitarbeiter: «Was bedeutet der Glaube für dich?» Skeptisch sagte er: «Ich glaube das, was ich sehe!» Das ist falsch! Glauben heisst, dass wir glauben, was wir nicht sehen können. Ich habe gesagt: «Japan ist auf der Weltkarte. Das glaube ich. So ist es auch mit der Bibel. In der Bibel ist das Wort Gottes!». Bei der Arbeit in der Werkstatt nahm ich einen Ballon. Ich blies ihn auf, bis er gross genug war. Ich machte einen Knopf und liess den Ballon los. Was machte der Ballon? Er flog an die Decke! Ein Arbeiter rief: «He, schaut mal, was der Hans macht»: Es war ein gutes Beispiel, um zu zeigen, dass Gott immer da ist. Dazu gibt es einen Bibelspruch:
Selig sind die, die nicht sehen und doch glauben!
In der Zwischenzeit bekam ich auch Depressionen. Meine Eltern waren an einer Versammlung (Bibelstunde), als mich eine Wolke überkam. In der Wolke waren Zeugen (Gottesmänner) die mir sagten: «Hans, sei mutig durch diese schwierige Zeit hindurch, wie ich auch ruhig gewesen bin». Gott, der Herr, hat mich immer begleitet:
Mit meinem Gott springe ich über Mauern
Im Schuhhaus Stiep war ich 44 Jahre tätig. Mitten in diesen 44 Jahren sagte ich: «Ich habe jetzt genug und höre auf!». Ich wollte fort. Doch da sagte der Herr: «Hans, bleibe da!?» Das habe ich im Herzen gehört. Ich sagte: «Ja, ich bleibe. Du weisst es besser als ich!» So blieb ich die nächste 20 Jahre dort.
Unsere Kinder, wenn sie Ferien hatten, kamen mich oft sehr gerne in der Werkstatt besuchen. Sie schauten zu, wie ich die Schuhe flickte oder auch zeigte, wie man mit Maschinen umging.

Hans arbeitete im Schuhaus «Stiep»
Am 1. August 1991 durfte ich in die wohlverdiente Pension eintreten. Was geschah dann mit dem Schuhhaus Stiep? Ein halbes Jahre nach meiner Pensionierung ging das Geschäft in Konkurs, weil es ganz viele Schulden hatte. Wie schade! Denn ich erlebte dort drei von fünf Generationen. Gott hatte mich vor all dem bewahrt, so dass ich nicht in diesem Unglück war. Wie wunderbar Gott uns bewahrt und umsorgt hat! Ich war wirklich froh und glücklich darüber. Lob und Preis und Dank dafür! Vor der Pension arbeitete ich fünf Jahre allein im Geschäft Schuhhause Stiep, und das war gut für mich. Der Chef sagte zu mir: «Du bist ein qualifizierter Schuhmacher!».
Hans