Christliche Gehörlosen-Gemeinschaft

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Vortrag: Die messianische Gemeinde in Israel

Vortragsskript zum Vortrag «Die messianische Gemeinde in Israel», abgehalten von Siegfried Schmid in der Gemeinde Silbern in Dietikon am 1. März 2008.

Meine Vorstellung

Mein Name ist Siegfried. Ich bin verheiratet mit Marianne. Wir haben vier Kinder, der jüngste ist 18 Jahre alt und lebt noch zuhause. Seine drei älteren Geschwister sind bereits ausgeflogen. Wir wohnen im Bernbiet, in Toffen, das ist ein Nachbardorf von Belp. Vor 10 Jahren wurde dort ein Gehörlosenheim eröffnet. Zwei Jahre vorher bin ich Heimleiter geworden und durfte während dieser Zeit den Umbau des alten Spitals von Belp zu einem modernen hörbehinderten gerechten Heimes planen. Unvergessen aus dieser Anfangszeit sind mir 2 Dinge. Zum einen die gehörlose Köchin. Auf meine Frage, wie wir für hörende Mitarbeiter die Gebärdensprache beibringen können, sagte sie «das machen wir selber im Alltag». Später wurde dann doch extra für Gebärdensprache eine Fachkraft angestellt. Sie unterrichtete uns Hörende regelmässig in Gebärdensprache. Das zweite war der Moment, als ich die gehörlosen Frauen der Frauengruppe von der Fachstelle in Bern fragte, ob ihnen bewusst sei, dass sie ein Randgruppenproblem hätten, nämlich die betagten Gehörlosen? Sie waren als ganze Gruppe in unser alten Heim zu Besuch gekommen. Dann blieb es einen Moment ruhig und die Gegenfrage kam. «Ja, heisst das, wir sind gefragt?»

Da habe ich begriffen, dass es ein Problem zwischen der Fachhilfe und der Selbsthilfe gibt und ich habe mich entschlossen, den Weg mit den Gehörlosen in Richtung Integration zu gehen. Ich hatte verstanden, dass die Gehörlosen am besten wissen, was gut und was schlecht ist für Gehörlose. Der Kontakt mit der Frauengruppe war ein Anfang und ein gutes Miteinander entstand. In über 1000 Stunden Freiwilligenarbeit hat die Gruppe für die Betagten des Heim Vorhänge genäht. Die Alten durfen selber für ihr Zimmer Vorhänge auswählen. Die Männer kamen auch langsam hinzu, ein Höhepunkt war das Einweihungsfest, es wurde von einem Gehörlosen präsidiert. Aber auch auf der Mitarbeiterseite fanden sich bis zuletzt ein Drittel Gehörlose. Ich durfte also miterleben, wie das Gehörlosenheim von einer Sache der hörenden Fachleute zu einem schönen Teil eine Sache der Gehörlosen wurde.

Warum erzähle ich das und was hat es mit unserem Thema Die messianische Gemeinde in Israel zu tun?

Ihr habt als Gehörlose einen langen Weg gemacht und seid euch eurer Kultur und Sprache bewusst geworden. Die Gebärdensprache hat euch eine Identität gebracht. So langsam begreift die Fachwelt und die Öffentlichkeit, dass ihr damit eure Eigenständigkeit ausdrückt. Die Frage «wo gehöre ich, wo gehören wir hin?» stellt sich aber noch einmal, wenn ein Gehörloser zum Glauben kommt. Wie gut, dass es die Christliche Gehörlosen Gemeinschaft gibt. Das gibt Zugehörigkeit und Heimat. Ich nehme an, jede und jeder, der heute hier ist, hat das erlebt.

Identitätsfrage bei den messianischen Juden

Wenn wir die Erfahrungen als Christliche Gehörlosen Gemeinschaft im Kopf behalten, können wir verstehen, wie es ist als Jude zum lebendigen Glauben an ‹Jeshua› (hebr. für ‹Jesus›) zu kommen Eine sehr wichtige Frage für die Juden die zum Glauben kommen, ist die Identitätsfrage: «Wer bin ich?». Es ist nicht leicht für Juden. Ein Grund: Sie haben eine Geschichte von fast 2000 Jahren Kirchengeschichte. In dieser Zeit gab es viel Judenverfolgung, christliche Antisemitismus und die sogenannte Ersatztheologie. Das bedeutet, die Kirche sieht sich als Ersatz für Israel. Man hatte verstanden, Israel hat den Messias nicht angenommen, darum hat Gott sie für immer verworfen. Er hat er sich ein neues Volk erwählt, nämlich das Volk aus den Nationen, welches die Kirche bildet. Das ist das neue Jerusalem. Die Kirche meint, sie ersetzte jetzt Israel.

Jetzt leben wir in der Zeit, wo es den Staat Israel wieder gibt und es gibt eine Bewegung, wo Juden zum Glauben an ‹Jeshua HaMaschiach› kommen. Juden die zum Glauben kommen befinden sich in einem Leerraum. Sie fragen: «Wer sind wir jetzt?»

Es war ein Prozess, die ersten Gläubigen waren noch ganz im Tempeldienst und haben das Gesetz Mose gehalten.

Woher weiss ich das?

Ich wurde nach meiner Ausbildung als Diakon Jugendarbeiter. Meine erste Stelle war in St. Gallen. Jede Woche traf sich ein kleiner Jugendkreis im Untergeschoss des Pflegeheims, welches gerade neben der Kirche steht. An einem Abend kam der Heimleiter zu uns. Er wolle wissen, wer der neue Jugendarbeiter sei, wenn die Gruppe doch in seinen Räumen zusammenkomme. Schnell stellten wir fest, dass wir auf dem gleichen Glaubensfundament stehen und er erzählte mir von seinem Kampf mit den Pfarrern der Kirche, die nicht wiedergeboren waren. Weiter erzählte er mir von seinen Kontakten zu Israel. Er sei auch noch der Präsident eines kleinen Vereins, der messianische Juden in Israel unterstütze. Das war im Jahr 1985, als ich zum ersten Mal dieses Wort ‹messianische Juden› hörte. Der Heimleiter erzählte mir, wie die Sache 1982 angefangen hatte. Benjamin Berger aus Israel sei messianischer Jude und er reise nach Deutschland und komme auch in die Schweiz für Vorträge. Es entstand eine freundschaftliche Beziehung und bei den Schweizer Freunden reifte die Überzeugung, dass wir Christen unsere messianischen Geschwister in Israel unterstützen müssen. In einer Bibelwoche im Diemtigtal konnte die Vision einer ‹Gemeindehilfe Israel› ausgesprochen werden. Ruben Berger erklärte sich bereit, zusammen mit seinem Bruder Benjamin in Israel als Mittelsmann zu wirken.

Wer sind Benjamin und Ruben Berger?

Benjamin und Ruben sind in New York aufgewachsen. Ihre Eltern waren Flüchtlinge. Der Vater kam aus Leipzig, die Mutter aus Österreich. Die Grosseltern waren zurückgeblieben, gefangen genommen, als sie versuchten, in die Schweiz hineinzukommen. Sie wurden nach Auschwitz deportiert, wo sie umgekommen sind.

Benjamin und Ruben sind in der jüdisch-orthodoxen Tradition erzogen worden. Als Kinder hatten sie noch Deutsch verstanden, selber die Sprache aber nie gesprochen. Viele Jahre später, als Benjamin einen Ruf bekam für die deutschsprachigen Länder, hat ihm der Herr die Deutsche Sprache gegeben – für seinen Dienst. Benjamin ist 1967 zum Glauben gekommen, durch eine direkte Offenbarung Gottes, in der Jesus mit ihm redete und ihm zeigte, dass er der Messias Israels ist.

Er ist dann nach Israel gezogen und seit 1971 lebt er zusammen mit seinem Bruder Ruben dort. Zunächst lebten sie in Bethanien (ist heute Palästinensergebiet), dann in Tiberias am See Genezareth und heute in En Karem, wo Elisabeth und Zacharias, die Eltern von Johannes lebten. Sie lasen zusammen die Bibel und vieles vom Geheimnis Jeshuas und vom Geheimnis Israels ist ihnen aufgegangen. Sie erlebten wie nach 1967, also im Jahr als Jerusalem wieder vereinigt mit Israel wurde, dass viele Juden zum lebendigen Glauben an Jesus kamen. Sie spürten auch, dass eine neue Zeit – eine prophetische Zeit – anbrach. Gott sie in Bezug auf ihren Lebensunterhalt von Anfang an auf einen Glaubensweg führte. Seit jener Zeit hatten sie nie Mangel gehabt und erlebten immer wieder neu seine Wunder.

Als Benjamin anfangs der Achtzigerjahre in die Schweiz kam, erlebte er, dass es sehr wenig Erkenntnis gab in Bezug auf Israel, auf die Endzeit auch in Bezug auf das Geheimnis der Beziehung von Juden und Nichtjuden, die den vollendeten Leib Christi bilden sollen. Dem abzuhelfen ist ihm zu einer Last und Berufung geworden. Er spürte auch einen Ruf zu Versöhnung, weil es ja die Schweizer waren, die seine Grosseltern mit vielen andern Juden zusammen in die Hände der Deutschen übergeben hatten. Gott hat ihm eine Liebe und Glauben für die Schweiz geschenkt, so dass es ihn freut mit Gläubigen zu teilen, was ihm Gott gegeben hat.

Zeugnis meines Glaubenswandels

Obwohl seine Grosseltern und andere Familienmitglieder umgebracht worden waren kommt Benjamin mit entgegengestreckter Hand der Versöhnung zu uns in die Schweiz, nach Deutschland und nach Österreich. Darüber musste ich nachdenken. Wie kommt ein Jude dazu uns Versöhnung anzubieten? Es sollte doch umgekehrt sein? Was ist das für eine Kraft und Liebe, die hier spürbar ist? Seit meiner Bekehrung hatte ich nicht mehr etwas so starkes erlebt. Das war der Erstkontakt.

Aus den Begegnungen mit Benjamin und Ruben und ihrer Lehre, stellte ich nach und nach fest, was zu dieser Versöhnung noch gehörte. Sie meinen wir gehören zusammen, der messianische Teil und wir Gläubigen aus den Nationen seien die zwei Teile der Menschheit, nach ihrer Erkenntnis. Ein Zusammengehörigkeit, bei der einer ohne den andern gar nicht sein kann, wie das Paulus im Eph 2, 13-19 ausdrückt:

Jetzt aber seid ihr, die ihr einst in der Ferne wart, durch Christus Jesus, nämlich durch sein Blut, in die Nähe gekommen. Denn er ist unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile (Juden und Heiden) und riss durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder. Er hob das Gesetz samt seinen Geboten und Forderungen auf, um die zwei in seiner Person zu dem einen neuen Menschen zu machen. Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib. Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet. Er kam und verkündete den Frieden: euch, den Fernen, und uns, den Nahen. Durch ihn haben wir beide in dem einen Geist Zugang zum Vater. Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes.

Was tut die ‹Gemeindehilfe Israel›?

Seit dem kleinen Anfang mit einem Hauskreis, der einen Unterstützungsverein für die messianischen Geschwister gründete, ist ein Hilfswerk geworden. Über 1000 Freunde und Mitglieder helfen mit Gebet und Gaben Israel in seine Berufung zu kommen. Die gespendeten Gelder werden monatlich nach Israel gesandt. Dort können Gemeindeleiter aus dem ganzen Land Gesuche von bedürftigen Gemeindegliedern hinschicken. Weil Bergers von Anfang an, also seit 1971, im Land waren, haben sie Kontakt mit den meisten Gemeindeleitern. Heute gibt es etwa 110 Gemeinden in Israel, insgesamt spricht man von 12000 – 15000 Gläubigen. In den USA und weltweit dürften es mehrer hunderttausend Gläubige sein.

Die Hilfe umfasst Unterstützung für Menschen, die um ihren Lebensunterhalt kämpfen müssen. Sie erhalten grosszügig Hilfe in verschiedensten kritischen Situationen, wie z.B. für Miete, Schulden, Lebensmittel, Zahnbehandlung, Transportkosten oder Ausbildungskosten. In der Regel können zwei Drittel der nachgefragten Beträge bezahlt werden. In den letzten Jahren waren auch Äthiopische und Russische Einwanderer, die Hilfe erhalten haben.

Seit 2 Jahren gibt es auch Patenschaften. Die ‹Gemeindehilfe Israel› verpflichtet sich während 2 Jahren alleineinerziehenden, kinderreichen Familien in messianischen Gemeinden zu unterstützen. Dafür sucht sie Partner in der Schweiz, welche sich fest verpflichten und gemäss einem Budget, das vorher eingereicht werden musste zu bezahlen. Aus diesen Patenschaften heraus entstand ein neuer Arbeitszweig mit Frauenhaus und einem Fachteam von gläubigen Fachpersonen: Psychologin, Familientherapeut, Sozialarbeiter, Ärzten, Juristen. Oft sind die sozialen Umstände schwierig, es gibt Ehescheidung. Das Team klärt genau ab, wo der Schwerpunkt der Hilfe liegen muss. Auch der Gemeindepastor gehört zum Team.

Das ist der Teil der Hilfe in Israel. Hier in der Schweiz werden von den Vorträgen und Referaten Drucksachen erzeugt, um in den Gemeinden dieses gute Wort aus Zion weiterzugeben.

Was lehren uns messianische Gemeinden?

Sie sehen den die Bibel in einem grossen Bogen vom 1. Buch Mose bis zur Offenbarung. Für sie gibt es einen Gesamtzusammenhang. Sie können uns das prophetische Wort aus dem Altem und Neuem Testament aufzeigen, wie wir es sonst kaum hören. Ich möchte jetzt gerne einen Versuch machen und anhand von verschiedenen Bibelstellen aufzeigen, wie so ein Zusammenhang aussieht.

Es geht um das Angesicht Gottes:

Das ist das grosse Geheimnis Gottes, dass sich Gott seinem Volk sein Angesicht offenbaren will. Der neue Name Jakobs ‹Israel› ist die Beschreibung des inneren Wandels. Das will sagen: wenn wir das Angesicht des Messias sehen, dann erkennen wir auch, wer wir sind. Dieses wird einmal national geschehen.

Sacharja 12,10:

Und sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben. Sie werden um ihn klagen, wie man um den einzigen Sohn klagt sie werden bitter um ihn weinen, wie man um den Erstgeborenen weint.

Israel ist das grosse Endzeitzeichen, das Gott gesetzt hat.

Gottes grosses Anliegen ist, dass die messianische Bewegung in Israel in ihr geistliches Erbe hineinkommt, das Gott Israel gegeben hat, nämlich in die Sohnschaft, die Gott für sie vorbereitet hat in seinem Sohn Jeshua. Israel ist als Nation Gottes erstgeborener Sohn. Aber durch die Geschichte als Volk waren sie meistens wie der verlorene Sohn. Der Vater wartet auf sie, wartet darauf, dass sie ins Vaterhaus zurückkehren.

Anmerkung Redaktion: Bibelübersetzung aus EÜ, sofern nicht anders angegeben ist.

Aus der Gemeinschaft April 2009