Etwas aus der Gemeinde BewegungPlus Thun
Seit bald einem Jahr werden in der Gemeinde BewegungPlus Thun CGG-Gehörlosengottesdienste durchgeführt und einmal im Monat die Predigt bei Hörenden in Gebärdensprache übersetzt. Im Gemeindeprogramm Januar/Februar 2007 wurden Johanna Roth und Andreas von Känel, zwei unserer CGG-Gehörlosen vorgestellt. Paul Jegerlehner von der Gemeinde BewegungPlus Thun, hat mit ihnen ein Kurzinterview gemacht und einen Artikel geschrieben. Wir haben die Genehmigung bekommen, diesen Artikel auch in der Gemeinschaft abzudrücken. Vielen Dank!
Paul Jegerlehner | Andreas, du bist mit deiner Gehörlosengruppe von einer anderen Gemeinde zu uns in die Bplus gezogen. Wie fühlt ihr euch hier? |
Andreas von Känel | Der Gemeindewechsel ist gut abgelaufen und ich fühle mich gut. Es gibt keine vollkommene Gemeinde. |
Paul Jegerlehner | Wie lange besteht die Gehörlosengruppe Thun schon? |
Andreas von Känel | Die Gehörlosengruppe (CGG) besteht seit 15 Jahren. Spannungen, Meinungsverschiedenheiten oder unterschiedliche Empfindungen gibt es auch bei uns. Manchmal haben wir gegenüber Glaubensgeschwistern ein Vorurteil. Aber wir sollten auf Jesus schauen, denn Er liebt seine Gemeinde. Und wie Jesus uns vergeben hat (Kol. 3,13), so sollten auch wir einander ertragen und einander vergeben. Trotz allem ist die CGG Thun stabil geblieben. |
Paul Jegerlehner | Warum kommt ihr nur einmal im Monat zur Predigt? |
Andreas von Känel | Wir besuchen den Gottesdienst mit Dolmetscherin jeden zweiten Sonntag im Monat in der Bplus Thun. Jeden dritten Sonntag wird am Nachmittag um 14 Uhr in der Bplus ein extra Gehörlosengottesdienst angeboten, und jeden ersten Sonntag besteht die Möglichkeit, einen extra Gehörlosengottesdienst in der Pfimi Bern zu besuchen. |
Paul Jegerlehner | Müsst ihr die Übersetzerin für jede Predigt mieten und bezahlen? |
Andreas von Känel | Ja, wir mieten die Dolmetscherin und wollen sie selber bezahlen. |
Paul Jegerlehner | Ihr habt einen eigenen Hauskreis. Wie erlebt ihr eure Zusammenkünfte? |
Andreas von Känel | Ich leite den Hauskreis selber. Wir treffen uns jede zweite Woche im Gebetsraum Bplus Thun oder im Bibeltreff der CGG Schweiz in Aarau. Wir beten und singen in Gebärdensprache. |
Paul Jegerlehner | Ich habe den Eindruck, dass ihr sehr engen Kontakt untereinander habt. Wie wichtig sind dir Beziehungen zu deinesgleichen? |
Andreas von Känel | Gebärdensprache und Gehörlosenkultur binden die Gehörlosen enger zusammen. Die Beziehungen allerdings lassen zu wünschen übrig. |
Paul Jegerlehner | Seit wann bist du gehörlos? |
Andreas von Känel | Meine Mutter hatte einen Furunkel während der Schwangerschaft. Leider bekam meine Mutter ein falsches Medikament, und deshalb bin ich von Geburt an gehörlos. |
Paul Jegerlehner | Was heisst es, gehörlos zu sein? |
Andreas von Känel | Gehörlosigkeit ist eine schwere Behinderung. Meistens sieht man nur den medizinischen Teil (etwas ist nicht in Ordnung, krank oder entzündet) und vergisst, dass Gehörlose nicht hören können, nicht ins Konzert gehen können, kein Radio hören und nicht gut sprechen können. Ein kleiner Wegweiser für hörende Menschen für den Umgang mit Gehörlosen: Gesicht gut beleuchten - Schriftdeutsch sprechen, kurze Sätze bilden - Lippen gut bewegen, langsam sprechen - Das Sprechen mit einfachen Handbewegungen unterstützen (Gestik) - Mimik spielen lassen - Gehörlosendolmetscher anfordern |
Paul Jegerlehner | Wie hast du zu Jesus, deinem Erlöser, gefunden? |
Andreas von Känel | Durch verschiedene Lebensumstände. Meine Eltern haben Jesus im Mittelpunkt. Durch sie erkannte ich, dass ich verloren bin. |
Paul Jegerlehner | In der Bibel steht, dass Taube hören werden. Wie übersetzt du dies für dein Leben? |
Andreas von Känel | Als ich 10 Jahre alt war, waren meine Eltern mit mir bei einem Heilungsprediger aus den USA in Bern. Soweit ich es beurteilen kann, wurde in der Schweiz noch kein Gehörloser geheilt. Meine Eltern beteten immer für mich. Ich habe es akzeptiert, gehörlos zu sein und möchte anderen Gehörlosen dienen. |
Paul Jegerlehner | Ich musste mich erst einmal in eure Welt hineinfühlen und unter anderem erkennen, dass ich z. B. mit Gehörlosen nicht telefonieren kann, sondern Faxen das Mittel der Wahl ist. Andreas, ich bewundere dein Engagement für Jesus und frage mich, ob ich an deiner Stelle die gleiche Kraft aufbrächte. Ich stelle nämlich fest, dass du stark am Karren der Gehörlosengruppe ziehst und als Vorbild vorangehst. Ich danke Gott, dass er dich immer neu erfüllt und dir Stärke verleiht, um dranzubleiben. |
Paul Jegerlehner