Christliche Gehörlosen-Gemeinschaft

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Westtürkei: Ein Reiseprotokoll von Barbara

Die Bibelausbildung IGW von Markus und Gregor organisierte im Oktober 2010 eine Studienreise.

Barbara hat ein Reiseprotokoll gemacht, welches wir hier wiedergeben.

23. Oktober 2010: Hinflug Zürich - Izmir

8:30 Uhr: Treffpunkt am Flughafen in Zürich.
10:55 Uhr: Abflug nach Izmir. Ankunft
14:20 Uhr Ortszeit in Izmir.

Wir stellen die Uhr um eine Stunde vor. Anschliessend Fahrt im Bus zum Hotel. Sie dauert ungefähr eine Stunde. Der Reiseführer Ahmed erzählt uns vieles über das vielfältige Klima: z.B. dass es in der Türkei 70 Skigebiete gibt. Eines davon in der Nähe des bekannten Urlaubsortes Antalya. Vor ca. 3000 Jahren waren 70% der Fläche mit Wald bedeckt. Zur Zeit sind es ca. 24%, in den letzen Jahren ist es gelungen, den Bestand von 17% auf 24% aufzuforsten. Es braucht aber mehrere Generationen bis die Natur wieder selbständig funktioniert, d.h. ohne Eingriff der Menschen. Es gibt nordöstlich von Istanbul eine Formel 1-Piste. Eine weitere wird in den nächsten Jahren hier unten (Izmir) entstehen. Das Land eignet sich optimal dafür. Durch die Versandung ist es nicht geeignet für die Anpflanzung von Lebensmitteln.

Ankunft im Hotel ca. 16:00 Uhr. Nach dem Zimmerbezug und den ersten Spaziergängen am Meer treffen wir uns um 18:00 Uhr zur allgemeinen Vorstellungsrunde im Saal.

Um 19:30 Uhr treffen wir uns am reichhaltigen Buffet zum Abendessen. Nach dem Essen noch ein kurzer Spaziergang am Meer und dann Feierabend.

Sonntag 24. Oktober 2010: Ephesus - Selçuk

Abfahrt um 9:00 Uhr nach Ephesus, ca. 20 Minuten Fahrt. Ephesus hatte in seiner Blütezeit ca. 300‘000 Einwohner. Eine breite, beleuchtete(!) Strasse führte bis zum Hafen.

Eindrücke: Das Odeon: wurde tagsüber als Rathaus benutzt und an Abenden als Konzertsaal Dort hatte es Platz für 2’000 - 3‘000 Personen.

Das Theater: fasste bis zu 35‘000 Zuschauer war nach dem Kolosseum (50‘000) das grösste Theater gute Plätze für die Patrizier (=Adlige) unten, Plebejer (=freie Leute) oben und ganz aussen Platz für die Sklaven.

Die grosse Strasse kann man mit der heutigen 5th Avenue in New York vergleichen. Sie führt zwischen den Geschäften zur berühmten Celsus-Bibliothek. Die Trottoirs sind mit Mosaiken geschmückt. Die Geschäfte entlang der Strassen waren den Reichen vorbehalten. Die Strasse wurde jeden Tag gewaschen und parfümiert.

Das Bad oder besser die Bäder: Verschiedene Räume, die durch ein raffiniertes Heizsystem unterschiedlich warm waren. Die Bäder waren bis zum 3./4. Jahrhundert nur für die Männer. Danach hat eine Frau, Scholastica, das Bad entweder gekauft oder geerbt. Danach durften auch die Frauen das Bad benutzen. Das gleiche gilt für die Latrine (=Gemeinschafts-WC). Die Latrine war ein Treffpunkt, an dem auch politische Entscheidungen getroffen wurden. Die Ausscheidungen (=Kot, Urin) wurden mit fliessendem Wasser direkt zum Meer abgeführt. Die Latrine wurde nicht beheizt. Während den Wintermonaten wurden die Sklaven vorausgeschickt um «anzuwärmen». Es wird erzählt, dass sich die Sklaven gerächt haben. Sie haben die Latrine mit Granatapfelsaft eingerieben. Dieser Saft bewirkt Verstopfung. Ob das wohl stimmt...? Verschiedene Kulturen lebten in Ephesus zusammen: Händler aus Indien, China, Griechenland, aus dem römischen Reich, Alexander der Grosse, usw. Paulus hat hier gelebt und gepredigt. Die Marienkirche ist ein imposanter Bau. Die Ruine ist immer noch sehr eindrücklich. Die Johanneskirche, die im 6. Jahrhundert von Kaiser Justitian I. (482-565) gebaut wurde, befindet sich in Selçuk (dem heutigen Ephesus). Johannes, der Jünger, soll hier begraben sein. Er selber soll gesagt haben, dass sein Grab die Form von einem Kreuz haben soll. Nach diesem Muster wurde auch das Taufbecken gebaut. Später wurde die Kirche zu einem Kloster ausgebaut. Ein unglaublich beeindruckender Ausflug. Die Ausgrabungen werden noch viele Jahre dauern. Das Mittagessen haben wir in Selçuk bei einem befreundeten Paar unseres Reiseführers Ahmed genossen. Doris ist Schweizerin und kommt aus dem Emmental. Ihr Mann Michael kommt aus dem syrischen Antiochien. Sie sind Christen und führen ein Kaffeehaus in Selçuk. St. John‘s heisst das Café. Auf der Karte stehen z.B. «Swiss Müesli» und «Röschti» :).

Um 16:49 Uhr (laut Ahmed, er nimmt es sehr genau) sind wir wieder im Hotel.

Montag 25. Oktober: Sardes - Philadelphia - Pamukkale

Um 9:00 Uhr reisen wir mit gepackten Koffern ab.

Ankunft um 10:30 Uhr in Sardes. Die Reise führt uns durch nebliges Hinterland. Die Gegend ist sehr ländlich. In Sardes sind durch Ausgrabungen grosse Teile der Synagoge zum Vorschein gekommen. Auch vom Gymnasion (=Trainingsstätte) steht noch ein eindrucksvoller Teil. Die Sportanlage des Gymnasion ist riesig. Sie fasst 60’000 -70‘000 Menschen! Ein Swimmingpool und ein Caldarium (=warmes Bad) sind sichtbar. Im 8. Jahrhundert zogen die Menschen weg. Der Grund war: die Handelsstrassen führten nicht mehr an Sardes vorbei. Die Handelsstrassen verlagerten sich nach Norden, nach Konstantinopel (heute Istanbul). Konstantinopel war damals die neue Hauptstadt. Mittagessen: Köfte (Hackfleischbällchen) mit Reis und Fladenbrot.

Danach Weiterfahrt nach Philadelphia. Da steht nur noch eine Ruine der Johanneskirche. Mitten in der Stadt steht dieses «Mahnmal» der Geschichte. Daneben eine Moschee mit Minarett. Pünktlich um 13:00 und um 16:00 Uhr ruft der Muezzin (=Gebetsaufrufer im Islam) laut zum Gebet. Ein seltsames Gefühl. Wir fahren weiter nach Pamukkale (das damalige Hierapolis). Um 18:00 Uhr kommen wir im Hotel Richmond in Pamukkale an. Hier gibt es ein Thermalbad. Einige stürzen sich noch ins warme Nass.

Dienstag 26. Oktober: Laodicea - Kolossä - Hierapolis

9:00 Uhr Abfahrt nach Laodicea. Laodicea liegt auf einer Hochebene. 60’000 - 70‘000 Menschen lebten hier. Laodicea war eine Karawanserei (=Ort wo Karawanen Halt machen) und eine Stadt des frühen Christentums. Die Stadt besass drei Theater. Vom kleinen Theater sieht man das Tal des Lykos und die Sinterterassen (Kalksteinterassen) von Pamukkale. Das grosse Theater liegt in Richtung Norden. Die Ausgrabungen haben vor ca. 20 Jahren begonnen und dauern sicher noch 20 bis 25 Jahre. In der ganzen Türkei gibt es ca. 6‘000 archäologische Stätten. An ca. 1‘000 ist man mit Ausgrabungen dran. Für die Finanzierung müssen immer Sponsoren gefunden werden. Wir fahren weiter nach Kolossä. Hier sieht man nicht viel und kann nur ahnen, wie es wohl einmal ausgesehen hat. Ahmed sagt, dass die Stadt wahrscheinlich drei «Etagen» unter dem Hügel ist. Die Ausgrabungen haben noch nicht begonnen.

Nach dem Mittagessen fahren wir weiter nach Hierapolis. Wir fahren an den Sinterterassen vorbei rund um den Berg hoch. Auf dem Hochplateau steigen wir aus. Wir wandern durch die Nekropole (=Totenstadt). Hier gibt es sehr viele Sarkophage, Tumulusgräber (Erdhügel über dem Grab zum Schutz vor Räubern) und Mausoleen. Ein riesiges Gelände! Wir wandern barfuss die Sinterterassen den Berg hinunter. Das Thermalwasser ist angenehm lauwarm. Die Steine spitz und rau. Ein unvergessliches Erlebnis! Danach fahren wir zurück zum Hotel. Wir geniessen noch einmal das Thermalbad.

Mittwoch 27. Oktober: Pamukkale - Taurus - Selçuk

Um 10:00 Uhr Abfahrt von Pamukkale.

Um 11.30 sind wir in einer Teppichknüpferei im Taurusgebierge. Ein Raum mit ca. sieben Weberinnen erwartet uns. Sie arbeiten mit verschieden groben Wollen. Es ist auch eine Seidenweberin dabei. Der Flor (=Wolle) wird doppelt geknüpft. Also mit dem vorderen und dem hinteren Kettfaden doppelt verknüpft. Eine Seidenweberin arbeitet vier Stunden pro Tag: 1/2 Std. knüpfen, 1/2 Std. Pause. Sie verdient bis zu 1‘000 türkische Lira im Monat (ca. Fr. 650). Die anderen Weberinnen arbeiten sechs Stunden pro Tag. 45 Min. knüpfen, 15 Min. Pause. Sie verdienen den Mindestlohn von 550 türkischen Lira. Es gibt ca. 3‘000 Webstühle in der Region. Sie sind auf 20 Dörfer verteilt. In jedem dritten Haushalt steht ein Webstuhl. Die Frauen werden von den Genossenschaften geschult. Damit möchte man die Menschen in den Dörfern behalten. Mit dem Lohn einer Weberin kann eine Familie leben. Sehr viele wandern in die Städte aus und sind dort arbeitslos. Wir sehen, wie die Seidenfäden gewonnen werden. Die Kokons kommen aus Bursa, eine Stadt am Marmarameer (bei Istanbul). Dort gibt es Maulbeerbäume, die Seidenraupen fressen die Blätter dieses Baumes. Die Kokons werden in Bursa gekocht, damit die Raupe stirbt und sich nicht zu einem Schmetterling entwickelt. Die Kokons werden im Wasserbett befeuchtet. Danach wird mit einer Bürste auf die Kokons geklopft. Der Fadenanfang bleibt an der Bürste kleben. Die ersten Meter werden abgezogen und abgeschnitten. Die sind zweiter Qualität. Aus denen werden Krawatten, Hemden und Seidentücher gemacht. Die Raupe und die Schale werden auch weiter verwendet. Daraus macht man Lippenstifte, Hautcrème und Shampoo.

Der «gute» Faden wird gezwirnt. Die Fäden werden aufgespannt auf Haken und auf ein Rad. Das Rad wird zehn Mal nach links gedreht. Danach werden die Fäden umgehängt und zehn Mal nach rechts gedreht. Das Ganze geschieht in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Der Faden ist gleichmässig gezwirnt und kann problemlos 50 Kilo Belastung tragen.

Anschliessend sehen wir verschiedene Färbemethoden. Natürliche Farben werden gemischt mit Lindenblüten = gelb, Kirschbaumrinde und Blutwurzel = rot, Safran = gelb, Walnuss = braun, Indigo = blau. Beim Indigo sieht das Wasser zuerst gelb aus, durch die Oxidation mit dem Sauerstoff wird der Stoff zuerst grün und dann blau. Wenn man den gewünschten Farbton hat, kann man den Prozess stoppen indem man die Wolle in das kalte Wasser legt. Im Verkaufsraum werden uns verschiedene Wollqualitäten gezeigt. Z.B. wie man den Unterschied zwischen einem Maschinenteppich und einem handgeknüpften Teppich einfach herausfinden kann.

Danach wird es eher etwas unangenehm: Eine Unzahl von Verkäufern stürzt sich auf uns. Nachdem sie feststellen dass wir keine Teppiche kaufen wollen, wollen sie uns schnell loswerden. An einer Imbissbude geniesse ich Gözleme ein Fladenbrot gefüllt mit Käse. Anschliessend machen wir uns auf die lange Rückfahrt zum Hotel bei Ephesus. Da treffen wir um 18:15 Uhr ein.

Donnerstag 28. Oktober: Izmir (Smyrna) - Pergamon

9:00 Uhr Abfahrt nach Izmir/Smyrna. Es regnet in Strömen. Wie jeden Tag betet Hansruedi (IGW-Reiseleiter) für den Tag und dankt Gott, heute auch für den Regen. Zum ersten Mal singen wir im Bus. Als wir in Smyrna ankommen regnet es nicht mehr, wir sind alle sehr beeindruckt von Gottes Güte! Auf der Ruine der Zisterne liest Hansruedi einen Text. Von der ehemaligen Festung aus sieht man noch die Überreste des Agora (=Marktplatz). Von der Festung aus konnte man schon von weitem Piratenschiffe erkennen. Die Stadt wurde von ca. 30‘000 Menschen bewohnt. Heute leben in Izmir 3 Millionen Menschen. Mit der Industriezone, in die täglich Menschen zur Arbeit kommen, zählt die Stadt 6 Millionen Menschen. In den Strassen ist ein unglaubliches Gedränge. Fast jeder sitzt allein in seinem Auto. Die Gassen sind eng. Pro Jahr werden ca. 900‘000 Autos hergestellt. Davon wird die Hälfte exportiert und ca. gleichviel importiert. Im ganzen Land gibt es 8-9 Millionen Autos. Ahmed sagt, dass die Türken viel Geld für Luxusgüter ausgeben: Die neuesten Handys sind begehrt. Pro Haushalt gibt es 1,5 Fernseher. Geraucht wird vor allem Marlboro, also eine teure Marke. Wenn man das Landesinnere sieht, kann man diese Aussage kaum glauben.

Wir fahren weiter nach Bergama (das heutige Pergamon). Von Bergama aus hinauf nach Pergamon darf man nicht mit dem Bus fahren. Wir steigen also in Taxis um. Es gibt zwar eine Seilbahn, diese wird aber von den Reiseagenturen boykottiert.

Beim Bau wurden keine Sicherheitsmassnahmen getroffen. Es weht ständig ein starker Wind. Die Seilbahn ist auch nicht versichert, wenn etwas passieren sollte. In Pergamon haben 300‘000 Menschen gelebt. Im Inneren der obersten Stadtmauer lebten die Herrscher. Im Inneren der mittleren Stadtmauer lebten die Beamten. Im Inneren der äussersten Stadtmauer lebten die Bauern, welche die Bevölkerung mit Nahrung versorgten. Es sind noch Teile des Aquädukts sichtbar. Das Wasser wurde auf diesem Weg von einer 45 km weit entfernten Quelle direkt auf den Burgberg geleitet. Damit eine gleichmässige Neigung von Anfang bis zum Ende da war, führte das Aquädukt zum Teil durch Tunnel. Die Röhren wurden regelmässig gepflegt und ausgewechselt. Was sie leider damals nicht wussten: die Röhren ent-hielten Blei. Das Blei im Wasser kann Sterilität (=Unfruchtbarkeit) verursachen.

Berühmt ist die Bibliothek. Sie soll 200‘000 Buchrollen gehabt haben. Nachdem die Ptolemäer die Ausfuhr von Papyrus verboten haben, erfanden die Pergamoner das Pergament (Ziegenleder). Das Pergament liess sich nicht rollen und so entstand die heutige Form des Buches.

Leider ist es zu kalt und zu windig, Gregor kann seinen Vortrag nicht in Pergamon halten. Wir fahren zurück zum Hotel.

Um 19:30 Uhr kommen wir an.

Um 19:45 Uhr beginnt der Vortrag. Andrea singt mit allen ein Gebärdenlied. Alle sind begeistert!

Freitag 29. Oktober: Milet - Kusadasi

9:00 Uhr Abfahrt nach Milet. Milet hatte einmal drei Häfen: u.a. den Löwenhafen und den Theaterhafen. Das Meer ist heute ca. 10 Kilometer von der Stadt entfernt. Das grosse Theater lädt ein zum Vortrag von Markus. In einer wunderschönen Kulisse hält er seinen Vortrag zur Gemeinde Thyatira. Danach fahren wir weiter nach Kusadasi (bedeutet «Vogelinsel»). Wir haben Zeit zum shoppen und geniessen es. Ein Strandspaziergang rundet den wunderschönen Tag ab.

Um 20:00 Uhr gibt es noch eine letzte Austauschrunde.

Samstag 30. Oktober: Rückflug Izmir - Zürich

Tagwache um 4:00 Uhr. Heute geht es mit einem lachenden und einem weinenden Auge nach Hause zurück. Mein Herz wurde für die Türkei «gefleischt»*.

*Ahmed, unser Reiseführer ist eine «wandelnde Bibliothek». Sein Deutsch ist ausgezeichnet, aber hin und wieder hat er interessante Wortkreationen erfunden.

Barbara

Aus der Gemeinschaft April 2011